Der Verlust Gottes

Quelle: Distrikt Österreich

Die hauptsächliche Qual im Fegefeuer ist die des Verlustes Gottes, genannt Pein der Verdammnis. Die Seele fühlt, dass sie für Gott gemacht ist, um einzutauchen in Seine Liebe und in Sein Licht, aber ihre Sünden hindern sie, Gott zu sehen und zu fühlen und sich Seiner Liebe zu erfreuen. Sie ist wie in sich selbst gefangen, verblendet und abge­stumpft für die Liebe Gottes, die ihr weiterhin zur Verfügung steht. Sie ist wie ein Auge, das vom grauen Star vernebelt ist. Wir wissen, dass Gott uns von allen Seiten umfängt (Weish 1,7; Mt. 6,18); Ihn nicht zu sehen ist schon eine Prüfung. Aber beim Tod nimmt die Seele die Gegenwart Gottes in star­ker Form wahr. Sie fühlt mit allen ihren Möglich­keiten, dass sie bestimmt ist, Ihn zu sehen und Seiner sich zu erfreuen, aber dass ihre Unvoll­kommenheiten und Flecken, verschuldet durch die Sünden, die sie während ihres irdischen Lebens begangen hat, sie daran hindern, und das verur­sacht ihr eine große Qual.

Sie empfindet einen Durst nach Gott, der sie quält, bis sie endgültig geläutert ist und in Gott eintauchen kann. Dieser Durst nach Gott reinigt sie und zerstreut den Nebel, der sie blind macht.

Die Seele fühlt und weiß, dass sie für die Gemein­schaft der Liebe mit allen Wesen des Himmels ge­macht ist und erfährt eine sehr große Einsamkeit. Sie leidet daran, sie nicht zu sehen und sich ihrer Gegenwart und strahlenden göttlichen Liebe nicht erfreuen zu können. Ihr ganzes Wesen wartet auf diese Gemeinschaft mit dem mystischen Leib Chri­sti. Sie fühlt sich wie verbannt aus ihrem wahren Vaterland, dem Himmel. Dieser Schmerz läutert in ihr alles Fehlen an Liebe, mit dem sie sich be­schmutzt hat. Die Liebe zu Gott und zum Himmel reinigt sie.

Ermahnung

Wenn wir Gott kennen würden, wenn wir Ihn lie­ben und die gleiche Sehnsucht nach dem Himmel hätten wie diese Seelen, würde sich unser Leben zu einer Suche nach den höheren Dingen verwandeln, die dort sind, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt (Kol. 3,1-2). Indem wir immer mehr erkennen, dass wir uns nicht selbst gehören, sondern wir in unse­rem Leben wie in unserem Tod Gott gehören, sollen wir alles tun, um Seinen Ruhm zu vermehren und aus Liebe zu den Brüdern handeln (Röm. 14,8).

Durch unser Gebet und unsere Barmherzigkeit für sie, helfen wir ihnen, Gott schneller näher zu kom­men. Wie sehr werden uns diese Seelen dankbar sein, dass wir ihnen geholfen haben, die Wartezeit auf die Anschauung Gottes und das Glück des Himmels zu verkürzen!

Gebet

Herr, lebendiger Gott, meine Seele dürstet nach dir. Wann sehe ich Dein Angesicht? Wie eine Hirschkuh nach lebendigem Wasser schmachtet, so schmachtet meine Seele nach Dir, mein Gott. Mein Gott, ich glaube an Dich, ich bete Dich an, ich liebe Dich; ich bitte Dich um Verzeihung für die, die nicht glauben, Dich nicht anbeten, nicht auf Dich hoffen und Dich nicht lieben.

Herr, mögen die Seelen der verstorbenen Gläubi­gen durch Deine Barmherzigkeit ruhen in Frieden.

 

Quelle: Mit freundlicher Genehmigung des Parvis-Verlages aus dem Buch "Arme-Seelenmonat" von J.-M. Girardin