
52. Rundbrief für den Dritten Orden der Priesterbruderschaft St. Pius X. im österreichischen Distrikt.
Gelobt sei Jesus Christus! Liebe Mitglieder, Postulanten, Interessenten und Freunde des Dritten Ordens vom hl. Pius X.!
Mein Mitbruder P. Severin Zahner aus der Schweiz hat in der Zeitschrift der katholischen Jugendbewegung „Der Gerade Weg“ (Nr. 2/2021) ein sehr wichtiges Thema angesprochen, für uns Priester immer wieder ein großes Herzensanliegen, das aber viel zu wenig im Bewusstsein der Gläubigen steht: Die Geistliche Begleitung bzw. die Seelenführung. Ich empfehle gerade auch den Terziaren, diesen Artikel zu lesen. Für die Mitglieder des Dritten Ordens ist es von größter Bedeutung, ganz persönlich und im Hinblick auf das Fruchtbarwerden des Dritten Ordens als lebendiger Zweig in der Familie unserer Priesterbruderschaft St. Pius X.
Ein Priester ist kein Sozialarbeiter, kein Professor für weltliche Wissenschaften, kein Politiker, kein Psychiater oder Psychologe, kein zölibatär lebender Fußballtrainer für die Jugend und auch kein Animateur für die Seniorenrunde, er ist vor allem Seelenhirte. Durch zeitweises all-zu-viel an Organisation, nicht eigentlich priesterliche Aufgaben, werden wir aber immer wieder abgehalten, dieser unserer Berufung als Freunde, Führer und Väter der Seelen voll nachzukommen. Der Priester ist ja wesentlich, wie es mein Vorgänger als Präses des Dritten Ordens, P. Waldemar Schulz, mir ans Herz legte bei meiner Priesterweihe, Seelenfreund (mit Jesus), Seelenführer (mit dem Hl. Geist) und sogar Vater der Seelen (für die Gnade und das übernatürliche Leben – mit Gott Vater). Das gehört wesentlich zu des Priesters ureigenster Berufung, seiner Sendung als Verehrer und Diener Gottes, als Verwalter der Geheimnisse Gottes und Christi, als Freund und Vater der Seelen. In der Stellvertretung seines Herrn soll er die Herzen zu stärken, sie stützen im Glauben, im Guten, im Kreuz, sie zu verteidigen, zu leiten und zu begleiten suchen – bis zu Gott, bis zum Thron Gottes hin.
Die Geistliche Leitung (Begleitung, Seelenführung) hat ein ganz klares Ziel, die Seelen auf dem Weg zur Vollkommenheit zu führen. Beichte und Seelenführung gehören gewiss zusammen, doch sind beide nicht unbedingt gleichzusetzten. Die Beichte kann in die Seelenführung münden, wie es immer wieder auch geschieht, aber nicht grundsätzlich. Beide können auch getrennt werden. Die Beichte ist wesentlich das Sakrament, in dem uns Jesus Christus selbst die Sünden vergibt. Das Streben nach Vollkommenheit ist somit nicht unbedingt direkt angesprochen. Und doch ist das dann der wichtige Schritt!
Wir müssen hier zunächst ein grundsätzliches Problem ansprechen, eine falsch gewachsene Sicht von Heiligkeit. Gerade für die Gläubigen mitten in der Welt, in Familie und Beruf wurde und wird die Heiligkeit oft ein beängstigendes Problem: Es gilt, die erforderliche Zeit dem Beruf bzw. der Familie zu entreißen und sich dann mit dem geistlichen Leben zu befassen. Man identifiziert die Heiligkeit mit einer Art Bemühen, sich einige Momente der Sammlung am Rand einer Fülle menschlicher Pflichten zu schaffen, und diese Augenblicke erscheinen nicht selten als Flucht oder doch als Bruch mit der eigenen Welt. Der sogenannte „fromme” Laie sieht so in der Arbeit häufig einen Ballast für seine Heiligung, seine Standespflichten betrachtet er als Kreuz, wenn nicht gar als ein Hindernis für seine Vereinigung mit Gott und den Dienst am Nächsten, und er nährt dann sogar gegen die Pflichten des Alltags eine Art Abneigung, befangen in der Sehnsucht nach besseren, aber immer unerreichbar bleibenden Umständen. Das ist ein völlig falscher Ansatz! Wir sind 24 Stunden am Tag Katholiken, immer auf dem Weg zur Heiligkeit, hin zu unserem letzten Ziel! Das christliche Leben ist nie ein Doppelleben, ein Leben der Selbsttäuschung. Allein landen wir aber sehr leicht dort. Der Seelenführer kann uns da wirklich heraus- und weiterbringen und auch anleiten neue Horizonte zu entdecken, das eigentliche Leben zu finden.
Der Weg einer Seele, die Jesus Christus mit der Gnade des Heiligen Geistes jeden Tag ähnlicher zu werden sucht, die nach Vollkommenheit strebt, dort wo sie Gott hingestellt hat, ist ein Weg echter, aber auch gelassener Hingabe, immer jedoch mit Opfer verbunden. Der Weg der Heiligkeit bedeutet ja immer Nachfolge Christi und Nachfolge Christi ist Kreuzesnachfolge. Man geht diesen Weg gut mit einer Person, die wirklich Erfahrung hat im geistlichen Leben. Einen steilen Berg besteigt man mit einem guten Bergführer und einen solchen brauchen wir im Leben, wo uns so vieles zu steil wird. Der Priester führt uns zu Christus und die Last wird leicht, den Weg des Lebens gut zu gehen.
Pater Zahner gibt in seinem Artikel sehr klar die großen Vorteile der geistlichen Begleitung an: Gefasste Vorsätze werden dann nicht mehr aufgegeben und auch nicht mehr abgeschwächt. Der Seelenführer hilft, die gesetzten Ziele zu erreichen, das Erkannte und Gewollte auch wirklich in die Tat umzusetzen. Der Rat des Priesters, der ja von Christus zum Hirten der Seelen berufen ist, ist die beste Unterstützung in schwierigen Phasen des Lebens, immer das Ziel vor Augen habend, die lebendige Freundschaft mit Christus, die immer größere Heiligkeit.
Der von mir so oft zitierte P. Frederick William Faber, englischer Konvertit und Priester des Oratoriums des hl. Philipp Neri, brachte einmal folgende treffende Beschreibung eines guten Seelenführers: „Sein Geschäft ist nicht das eines Pioniers; es besteht eher darin, zurückzubleiben und Gott zu beobachten, der vorangeht. Er muss sein Auge auf Gott gerichtet halten, der oft so weit voran ist, dass man Ihn kaum gewahren kann. Er führt seine Beichtkinder nicht, der Heilige Geist führt sie. Er streckt seine Hände hinter uns aus, wie eine Mutter nach ihrem wankenden Kinde, das erst zu laufen anfängt, um seine unsicheren Schritte im Gleichgewicht zu halten, wenn es sich zu sehr, bald auf die eine, bald auf die andere Seite neigt. Er darf nicht eine eigene Methode haben, um sie ohne Unterschied auf Jedermann anzuwenden … dies ist keineswegs das Geschäft eines geistlichen Führers. Er weiß bloß, dass wir auf dem Wege sind, der für uns der richtige Weg ist, wenn er Gott vorangehen sieht. Dann hält er uns gewissenhaft in den heiligen Fußstapfen, die Gott zurückließ. Er schaut nach unserm Fortschritt, und wenn er sieht, dass Gott die Entfernung zwischen Ihm und der Seele vergrößert, so spornt er die letztere an mit Klugheit und Milde, aber dennoch fest und ununterbrochen. Er erlangt ebenso viel Erleuchtung aus dem Gebet, als aus seiner Kenntnis unseres Charakters und aus der persönlichen Beobachtung unser selbst. Sein Amt ist ganz übernatürlich, aber es ist auch ganz natürlich, und er wird uns nicht gut leiten, wenn er das Natürliche durch das Übernatürliche in den Schatten stellt.“ (Faber, Der Fortschritt der Seele im geistlichen Leben, Regensburg 1857)
Ohne guten Architekten ist es schwer, ein gutes und schönes Haus zu bauen. Ebenso ist es sehr schwer, ohne Anleitung und beständige Hilfe des geistlichen Begleiters heilig zu werden. Lassen wir uns helfen, nutzen wir gerade auch hier die priesterlichen Standesgnaden gut aus. Der Priester hilft uns, dem Wirken des Heiligen Geistes, der Gnade, fügsam zu entsprechen. Wir zeigen uns dem Priester, der auch Seelenarzt ist, wie wir wirklich sind, und diese Aufrichtigkeit wird uns heil machen und heilig! Der Seelenführer wird uns helfen, die wesentlichen Dinge im Leben zu erkennen, zu erfassen und die Wege Gottes zu beschreiten.
Liebe Terziaren, mögen Ihnen diese Zeilen ein klein wenig helfen, dieses große Hilfsmittel der Kirche wieder mehr zu schätzen, sich damit zu befassen. Ich kann nur an die großen Heiligen erinnern, die alle die Seelenführung empfohlen haben. Der hl. Philipp Neri, der hl. Franz von Sales, der hl. Ignatius, die hl. Theresia von Avila und viele andere mehr.
Ich wünsche Ihnen eine erholsame, gnadenreiche Sommerzeit. Denken Sie an die Erholung des Leibes, aber auch an die Erholung der Seele, fassen Sie konkrete Pläne, nutzen Sie die Zeit! Beten wir vor allem füreinander!
Mit meinem priesterlichen Segen,
Ihr P. Johannes Regele
Jaidhof, am 1. Juli 2021, Fest des kostbaren Blutes