8. Ist die Heilige Schrift die einzige Quelle der Offenbarung?

26. Juli 2017
Quelle: Distrikt Österreich

100 Fragen zur aktuellen Lage der Kirche.

8. Ist die Heilige Schrift die einzige Quelle der Offenbarung?

Es ist ein protestantischer Irrtum, daß die Heilige Schrift die einzige Quelle der Offenbarung sei. Das ist das Sola-scriptura-Prinzip Luthers. In Wirklichkeit ist neben der Heiligen Schrift auch die mündliche Überlieferung oder Tradition eine wahre Quelle der Offenbarung.

Die katholische Kirche hat immer auch die Tradition als eine wahre Quelle der Offenbarung angesehen. Die Heilige Schrift enthält nämlich nicht wie ein Katechismus oder dogmatisches Lehrbuch in systematischer Form alle Glaubenswahrheiten des Christentums, sondern vor allem die neutestamentlichen Schriften sind gemäß den Bedürfnissen der schon bestehenden christlichen Gemeinden entstanden. Diese Gemeinden wurden durch die Predigt der Apostel gegründet. Es gab also die Kirche schon, bevor es das Neue Testament gab. Die Briefe der Apostel wurden anläßlich aktueller Probleme geschrieben und setzen ihre Predigt voraus. Der hl. Paulus schreibt 1 Kor 11,34 den Satz: «Das übrige werde ich anordnen, wenn ich komme», was klar die Unvollständigkeit seines Briefes und die Notwendigkeit mündlicher Unterweisung zum Ausdruck bringt. Auch die Evangelien erheben nirgendwo den Anspruch auf Vollständigkeit. Im Gegenteil heißt es Joh 21,25: «Es gibt noch vieles andere, was Jesus getan hat. Wollte man das im einzelnen niederschreiben, so könnte, glaube ich, selbst die Welt die Bücher nicht fassen, die man schreiben müßte.»

Scott Hahn, ein protestantischer Pastor und Professor, der zur katholischen Kirche fand, gesteht, daß ihn die Frage eines Studenten aus der Fassung brachte, wo denn die Bibel lehre, daß «die Schrift allein» die einzige Autorität sei. Er konnte darauf keine Antwort finden. Die Bibel lehrt im Gegenteil in 2 Thess 2,15: «So steht denn fest, Brüder, und haltet euch an die Überlieferungen, in denen ihr mündlich oder schriftlich von uns unterwiesen worden seid.» In 1 Tim 3,15 wird zudem die Kirche als die «Säule und Grundfeste der Wahrheit» bezeichnet, nicht die Heilige Schrift. [12]

Vor allem ist es die Tradition, die uns sagt, welche Bücher zur Heiligen Schrift gehören. Es gibt ja noch andere, sog. apokryphe Schriften, die auch den Anspruch erheben, von einem Apostel oder Apostelschüler geschrieben worden zu sein, die aber die Kirche nicht als echt anerkennt. In den ersten Jahrhunderten herrschte tatsächlich noch eine gewisse Unsicherheit in bezug auf einige Schriften: So sah man teilweise den Klemensbrief, den Barnabasbrief und den Hirten des Hermas für inspiriert an, zweifelte aber an der Zugehörigkeit z. B. des Hebräerbriefs, des 2. Petrusbriefs oder der Apokalypse zum Kanon. Letztlich haben auch die Protestanten die Schrift von der Kirche empfangen. Es waren vor allem zwei Synoden, die hier eine wichtige Rolle spielten: die Synoden von Hippo (393) und von Karthago (397). Beide schickten ihren Beschluß zur Bestätigung nach Rom.

Das sola-scriptura-Prinzip ist einigermaßen willkürlich und hat nie der Praxis der Christen entsprochen. Schon im 2./3. Jh. wurde z. B. von Tertullian das Prinzip formuliert: Wenn etwas in der ganzen Kirche gelehrt oder praktiziert wird und man nicht feststellen kann, daß es durch ein Konzil eingeführt wurde, dann ist es apostolischen Ursprungs. Die Christen sind – vielleicht mit Ausnahme einiger Sekten – nie davon ausgegangen, daß die Bibel die einzige Quelle des Glaubens ist.

Der Umgang Luthers mit der Bibel war dann auch völlig willkürlich. So bezeichnete er beispielsweise den Jakobusbrief als «stroherne Epistel», weil er seiner Lehre vom allein rechtfertigenden Glauben deutlich widerspricht. Die Protestanten haben leider die Heilige Schrift doch nicht immer so ernst genommen, wie sie es vorgaben, sondern sich das herausgesucht, was für ihre Zwecke paßte. Letztlich hat Luther das sola-scriptura-Prinzip auch nur erfunden, weil er sich nicht der Autorität der Kirche unterordnen wollte.

[12] Vgl. das ausgezeichnete Buch von Scott und Kimberly Hahn: Unser Weg nach Rom, Stein am Rhein 42001, S. 66 ff. 

Quelle: Katechismus zur kichlichen Krise, Pater Matthias Gaudron, Sarto-Verlag, 2017, 4. Auflage