2. Ist diese Krise eine Krise des Glaubens?

14. Juni 2017
Quelle: Distrikt Österreich

100 Fragen zur aktuellen Lage der Kirche.

2. Ist diese Krise eine Krise des Glaubens?

Der christliche Glaube ist zweifellos am Schwinden. Die grundsätzlichsten christlichen Wahrheiten wie der Glaube an Gott, die Gottheit Jesu Christi, den Himmel, das Fegefeuer und die Hölle werden immer weniger geglaubt. Dabei ist besonders alarmierend, daß diese Glaubensartikel selbst von solchen geleugnet werden, die katholisch sein wollen und regelmäßig den Gottesdienst besuchen. Die Verteidiger des Konzils kommentieren den Rückgang der Zahlen mit der Ausrede, ohne die nachkonziliaren Reformen wäre es noch schlimmer gekommen. Über ein «was wäre, wenn» kann man natürlich nur Spekulationen anstellen. Tatsache aber ist, daß die heutigen Katholiken in der Mehrheit nicht mehr den katholischen Glauben besitzen.

Einige Zahlen sollen dies belegen. Nach einer Umfrage des «Spiegels»[6] von 1992 glaubten in Westdeutschland nur 56 % an die Existenz Gottes, 38 % an seine Allmacht, 30 % an die Erbsünde, 29 % an die Gottessohnschaft Jesu und 24% an die Existenz der Hölle. Wenn man in letzter Zeit gelegentlich ein neues Interesse an Glaube und Religion festzustellen scheint, so geht es dabei meist nicht um einen kirchlich geprägten Glauben. Unter jungen Deutschen (18 bis 29 Jahre) ist zwar der Glaube an Auferstehung und ein Leben nach dem Tod laut der Studie der Bertelsmann-Stiftung (2008) weit verbreitet – 41% der Jüngeren glauben an eine Fortführung der menschlichen Existenz nach dem Tod – aber die Bereitschaft zu religiösen Ritualen, wie zum Beispiel zum Beten, ist relativ schwach ausgeprägt, und ein Viertel der Befragten in dieser Altersgruppe meint, daß man sich aus verschiedenen religiösen Lehren seinen eigenen Glauben zusammensetzen sollte.

Auch unter den Katholiken ist die Lage katastrophal. An das fundamentale Dogma der wirklichen Auferstehung Jesu Christi glaubten 1992 nur 43% von ihnen. Selbst von den sonntäglichen Kirchgängern glaubten nur 55% an die Jungfrauengeburt und nur 44% hielten den Papst für unfehlbar. Der Durchschnitt war bei den Katholiken insgesamt natürlich noch tiefer. Hier waren es ganze 32 %, die an die päpstliche Unfehlbarkeit glaubten. In Frankreich meinten nach der oben erwähnten Studie 63 % der wenigen praktizierenden Katholiken, daß alle Religionen gleich seien.

Hierin offenbart sich das ganze Ausmaß der Krise: Es sind nicht nur immer weniger, die sich zur Kirche zählen, sondern auch die Mehrzahl derjenigen, die noch of ziell Mitglieder der Kirche sind, besitzt nicht den katholischen Glauben! Wer nur eine Glaubenswahrheit leugnet, verliert den Glauben, denn dieser ist ein Ganzes und muß als Ganzes angenommen werden. Es scheint daher glaubwürdig, wenn ein Mann des Opus Dei in Deutschland 2009 mit nur noch 30’000 wirklich praktizierenden Katholiken rechnete, d. h. solchen, die alle Glaubenswahrheiten ohne Ausnahme annehmen und jeden Sonntag die Messe besuchen, soweit es ihnen möglich ist.

In seinen Gesprächen mit J. Guitton redete Paul VI. davon, daß «in der katholischen Welt ein Gedanke nicht katholischer Art zuweilen die Oberhand bekommen zu haben scheint und daß er möglicherweise morgen innerhalb des Katholizismus das stärkste Gewicht bekommen wird. Er wird aber nie das Denken der Kirche darstellen. Es ist notwendig, daß eine kleine Herde bestehen bleibt, auch wenn sie nur winzig klein ist.»[7] 

[6] Der Spiegel 25/1992. S. 36 ff. 
[7] Jean Guitton: Paul VI secret, S. 168; zitiert nach: Die neue Theologie, Sion 1995, S. 162. 

Quelle: Katechismus zur kichlichen Krise, Pater Matthias Gaudron, Sarto-Verlag, 2017, 4. Auflage