Die Zerknirschung

Quelle: Distrikt Österreich

Im Augenblick des Todes, wenn die Seele in ei­nem Augenblick auf ihr ganzes Leben in den ge­ringsten Einzelheiten zurückblickt, wie es sich im Lichte Gottes beurteilt, und wann sie ein letztes Ja zu Gott spricht, Der sie rettet, empfindet sie eine sehr große Scham über die Unvollkommenheiten des vergangenen Lebens, über die Sünden, die sie verdunkelt haben, und die die völlige Durchdrin­gung mit Licht verhindern. Das verursacht ihr große Leiden, die sich in einer lebhaften Reue über die Taten, die sie augenblicklich von Gott trennen, ausdrückt. Im Lichte Gottes entdeckt die Seele tau­send Unvollkommenheiten und sieht genau das ganze Böse, das sie begangen hat, das sie mit der Gnade Gottes vermeiden hätte können.

Sie entdeckt tausend verborgene Fehler, die sie auch nicht für schwerhielt. Sie sieht das ganze Gute, das sie unterlassen hat, zu tun, und die se­gensreichen Folgen, die ihre Nächsten entbehren mussten.  Sie sieht die Gnade Gottes, derer sie sich in ihrem sakramentalen Leben beraubt hat. Sie sieht all ihr Zögern, ihre Langsamkeit, ih­ren Mangel an Großzügigkeit, dem Willen Gottes zu entsprechen. Im Augenblick des Todes verursacht ihr all das, trotz der Verzeihung und Barmherzigkeit Gottes, eine große Qual, denn indem sich die Seele be­schmutzte, wurde sie undurchsichtig für das Licht Gottes. Da die Seele Gott liebt und seine Liebe nicht mehr zurückweist, erfährt sie einen großen Schmerz und eine tiefe Reue, die sie läutern und das Dunkel zerstreuen. Sie stellt fest, dass alles bloßliegt vor den Augen Jenem, Dem wir Rechen­schaft geben müssen (Heb 4,13). Wenn sie den Verlust Gottes fühlt, geht sie in sich wie der verlorene Sohn, erkennt, dass sie sünd­haft ist, und wendet sich endgültig Gott zu (Lk 15, 14-20).

In ihrer Trauer, ihren Vorwürfen, ihrer Verzweif­lung, empfindet sie eine sehr reine Zerknirschung, so vollkommen und durchdringend, dass sie ihr Leiden annimmt, weil es sie rettet, ganz wie der Verwundete die Schmerzen der Operation an­nimmt, die ihn heilt. Freude auf den Himmel steigt in den Seelen auf, die bereuen, denn die Gnade Gottes dringt in sie und bereitet sie darauf, sich den Erwählten des Himmels anzuschließen (Lk. 15,10).

Ermahnung

Geschieht es, dass wir Gewissensbisse empfinden, bittere Selbstvorwürfe? Dann arbeitet die Gnade Gottes in uns, und lädt uns ein, das Gute zu tun, zu lieben und Gott verbunden zu bleiben, unserem höchsten Ziel. Gott und die Eingebung unserer ver­schiedenen Angehörigen laden uns ein, zu bereuen und den Willen Gottes zu erfüllen.

Gott gibt uns Zeit, zu bereuen (Apg 2, 21), das zu tun, was Ihm gefällt, wie einem guten Arbeiter, der seinen Weinberg bearbeitet (Mt. 21,29). Nutzen wir diese Zeit der Gnade und Barmherzig­keit, denn der Tod ist die Zeit der sich vollziehenden Gerechtigkeit, wo wir bis zum letzten Pfennig dafür bezahlen müssen, um aus dem Gefängnis zu kommen, das wir uns aus eigenem Verschulden bereitet haben, und um in den Himmel zu gelangen (Mt. 5,26).

Gebet

Mein Gott, es tut mir sehr leid, dass ich Dich belei­digt habe, weil Du unendlich gut und unendlich lie­benswert bist und weil Dir die Sünde missfällt; ich fasse den festen Vorsatz - mit der Hilfe Deiner heili­gen Gnade - dich nicht mehr zu beleidigen und Buße zu tun für meine Fehler und Verirrungen. Ich bitte Dich, erbarme Dich der Seelen im Fegefeuer. Du kennst ihre Reue und Zerknirschung. Mögest Du doch durch mein Gebet, das sich mit ihrer Zerknir­schung und mit der Reue über meine Sünden vereint, ihrer Läuterung und ihres Eintritts in den Himmel gnädig gesinnt sein.

Herr, mögen die Seelen der verstorbenen Gläubi­gen durch Deine Barmherzigkeit ruhen in Frieden.

 

Quelle: Mit freundlicher Genehmigung des Parvis-Verlages aus dem Buch "Arme-Seelenmonat" von J.-M. Girardin