Die langen Qualen

Quelle: Distrikt Österreich

Der Glaube lehrt uns, dass das Fegefeuer nicht ewig ist und dass es beim allgemeinen Gericht zu Ende sein wird. Die Dauer und Heftigkeit der Qualen, die die Seelen dort erleben, stehen im Verhältnis zum Aus­maß und zur Schwere der Fehler, die im irdischen Leben begangen wurden. Man muss sie sühnen auch wenn sie vergeben worden sind. Die Kirche hat offiziell nichts festgelegt über die Dauer der Qualen im Fegefeuer, aber sie genehmigt Messen zum Jahrestag und sogar Messen auf Dauer für die Seelenruhe der Verstorbenen. Häufig werden auch Messen zugunsten der Verstorbenen dreißig oder vierzig Tage nach dem Tod gefeiert; manchmal dreißig Tage nacheinander (gregoriani­sche Dreißig-Tage-Sequenz). Sie glaubt also, dass die läuternde Sühne lang sein kann und sich über Jahrhunderte erstrecken kann. Mehr als zwanzig Jahre nach dem Tode seiner Mutter Monika erbat der heilige Augustinus noch Gebete für sie. Der heilige Ambrosius verpflichtete sich öffentlich, sein Leben lang für die Seele Theo­dosius des Großen zu beten.

Sich stützend auf glaubwürdige Offenbarungen sagt der heilige Robert Bellarmin, dass sich für ge­wisse Seelen die Dauer der Qualen im Fegefeuer bis zum Jüngsten Gericht verlängern kann, wenn ihnen die Kirche nicht zu Hilfe käme. Seelen haben bei Erscheinungen die Zeit der zu vollendenden Läuterung enthüllt, die sie brauchen, um in den Himmel zu kommen.

Es gibt mehrere Ursachen für die Dauer der Läuterungsqualen:

-  die vollkommene Reinheit, die die Seele haben muss, bevor sie Gott besitzen kann;

-  die große Zahl unserer Sünden, unserer Untreue, unserer fehlenden Liebe;

-  die geringe Buße, die wir für die gebeichteten Sünden leisten;

-   die Unfähigkeit der verstorbenen Seele, sich selbst Erleichterung zu

     verschaffen;

-  das Vergessen der Toten und unsere schuld­hafte Nachlässigkeit, ihnen zu Hilfe zu kommen.

Da diese Seelen außerhalb unserer Zeit leben und nichts haben, das sie von dem Ziel, dem sie sich zugewandt haben, ablenken könnte, haben sie wegen der Heftigkeit ihrer Qual den Eindruck, dass sie lange leiden. Was für uns Stunden sind, kann ihnen als Jahrhunderte erscheinen. Wenn wir Zahnschmerzen haben, und obwohl das ein be­schränktes Übel ist, erscheint uns die Zeit, die sie dauern, furchtbar lang. Man hat den Eindruck, dass sie nicht aufhören, trotz der Gewissheit, dass das Übel ein Ende haben wird. Im Fegefeuer fühlt die Seele, dass sie daraus nicht entkommt, bis sie den letzten Pfennig bezahlt hat (Lk 12, 59).

Ermahnung

Wir sollen keine Eile haben, unsere Verstorbenen zu vergessen oder sie heilig zu sprechen. Beten wir oft für sie, sonst stehen sie in Gefahr wegen unserer Nachlässigkeit lange auf eine Abkürzung ihrer Leidenszeit warten zu müssen, die wir ihr dank der Gnade Gottes verschaffen können. Wie sehr trugen die Heiligen Sorge um diese leidenden Seelen im Fegefeuer! Was würden wir denken, wenn wir an ihrer Stelle wären und man uns so wenig Hilfe zu­ kommen ließe? Vielleicht müssen wir, wenn die Reihe an uns kommt, auch diese schmerzhafte Erfahrung machen?

Gebet

Herr, Gott der Liebe und der Barmherzigkeit, Du hast Mitleid und verzeihst, schau nicht auf unsere Sünden, wir flehen Dich an, lösche sie aus. Hilf uns und den leidenden Seelen im Fegefeuer. Lösche die Qual aus, die verursacht ist von unseren Sünden und Fehlern, dank unserer Fürbitte, vereint mit den Verdiensten Deines Sohnes, Der gestorben ist zu un­ser aller Heil.  Beschleunige ihre Erlösung zur Glück­seligkeit mit allen Erwählten des Himmels unseres Vaterlandes. Sei gepriesen für Deine ganze Liebe. Herr, mögen die Seelen der verstorbenen Gläubigen durch Deine Barmherzigkeit ruhen in Frieden.

 

Quelle: Mit freundlicher Genehmigung des Parvis-Verlages aus dem Buch "Arme-Seelenmonat" von J.-M. Girardin