Der hl. Koloman

Quelle: Distrikt Österreich

Hochaltar der Pfarre Rohrendorf bei Krems mit Darstellung des hl. Koloman

Mehr als tausend Jahre sind es, die uns vom Leben und vom Tod des hl. Koloman trennen. Über sein Leben ist uns fast nichts bekannt, wohl aber über seinen Tod. War er ein irischer Königssohn, wie mancherorts angegeben wird, war er ein Mönch? Wir wissen es nicht. Die Geschichte, die uns interessieren sollte, beginnt erst unmittelbar vor seinem Tod. Als Pilger, der unterwegs war, um die Heiligen Stätten im Heiligen Land zu besuchen, durchquerte er, der Donau entlang wandernd, das Grenzgebiet des Heiligen Römischen Reiches und damit auch die Mark der Babenberger, einen Teil des heutigen Österreich. Sein Weg führte ihn in eine Stadt, die heute den Namen Stockerau trägt. Das Gebiet war Grenzland der Mark gegenüber dem böhmischen und ungarischen Herrschaftsbereich und somit war es nicht ungefährlich, hier unterwegs zu sein. Jedoch als Pilger, der sich auf einer Wallfahrt ins Heilige Land befand, sollte er eigentlich mit Respekt empfangen werden und Essen und Unterkunft erhalten.  So war es immer der Brauch. Beim hl. Koloman kam es anders. Seine fremdartige Kleidung und seine Sprache erregten Mißtrauen bei der Bevölkerung, man verdächtigte ihn, ein als Pilger verkleideter böhmischer oder ungarischer Spion zu sein. Schließlich waren es unruhige Zeiten, damals im Sommer des Jahres 1012, denn seit Jahren schwelte ein politischer Konflikt zwischen dem Landesherrn und Herzog von Bayern, Heinrich II. (der später römischer Kaiser wurde) und dem Polenkönig Boleslaw I. und dieser Konflikt sollte sich noch über Jahre hinziehen.

Ein Pilger unter schwerem Verdacht

Argwöhnisch geworden, brachte man Koloman ins Gefängnis, wo er einer schweren Folter unterzogen wurde, um ein Geständnis zu erpressen. Aber da er nichts zu gestehen hatte und sich wegen mangelender Sprachkenntnisse wohl kaum verteidigen konnte, verurteilte ihn der Richter zum Tod. Das Urteil lautete auf Erhängen und wurde unmittelbar danach vollzogen: man hängte ihn kurzerhand auf einem großen Holunderstrauch auf. Für den Vollzug der Todesstrafe hätte man eigentlich den zuständigen Bischof und den Markgrafen verständigen müssen, beides unterblieb aus uns nicht bekannten Gründen.  Ein Pilger galt im Mittelalter als unantastbar, somit wurde durch die Tötung Kolomans ein Grundsatz des damaligen Rechtes verletzt. Als ein zum Tode Verurteilter wurde Koloman nicht begraben, sein Leichnam blieb an dem Baum für Monate hängen, aber zum großen Erstaunen der Bevölkerung verweste er nicht. Da man dafür keine Erklärung fand, wurde man nachdenklich und begrub daraufhin den Leichnam in einer nahegelegenen Kapelle neben der Donau. Im Jahr darauf gab es eine große Überschwemmung, die alles überflutete, nur die Kapelle mit dem Grabmal blieb verschont.

Eine historisch gesicherte Begebenheit  

Es gibt mehrere zeitnahe Quellen, die über diese Vorfälle berichten, sie gelten als historisch gesichert. So berichtet die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg im Jahre 1017, dass im Grenzgebiet von Bayern und Böhmen ein Pilger namens Colomannus von den dortigen Bewohnern gefangengenommen wurde, da man ihn für einen Spion hielt. Nach einer harten Folterung wurde das Todesurteil an ihm vollstreckt, er wurde "an einem dürren Baum" erhängt. Und die Chronik berichtet weiter: Sein Leib verweste nicht, aus einer seiner Folterwunden floss frisches Blut und der Baum, an dem der Leichnam hing, begann zu blühen. Dieses Wunder wies Koloman als Märtyrer Christi aus. Und bald ereigneten sich weitere Wunder, Kranke berührten den Leichnam und später sein Grab und wurden gesund. Als der Markgraf Heinrich I. davon erfuhr, ließ er die sterblichen Überreste nach Melk überführen und dort feierlich bestatten.

Eine weitere historische Quelle sind die Melker Annalen, die 1122/23 aufgrund älterer Hausaufzeichnungen begonnen wurden. Auch sie erzählen über die Folter und die Hinrichtung Kolomans im Jahr 1012 und geben sogar den Todestag mit 17. Juli an, sie berichten auch über die Überführung des Leichnams am 13. Oktober des Jahres 1014 nach Melk. Die Beisetzung nahm Bischof Megingaud von Eichstätt vor. Diese Angaben finden sich auch in den Annalen der Stifte Klosterneuburg, Zwettl, St. Florian und St. Peter in Salzburg. Einen bemerkenswerten Zusammenhang mit der Ermordung des Pilgers kann man wohl in der Errichtung einer Pfarre in Stockerau sehen, die im selben Jahr erfolgte, in dem die Reliquien des hl. Koloman nach Melk überführt wurden.  Es ist wohl nicht weit hergeholt, wenn man den Schluss zieht, dass dies zur Sühneleistung erfolgte wegen des schweren Verbrechens, das man an einem Pilger begangen hatte und den Gott durch Wunder bestätigte. 

Um die Mitte des 12. Jahrhunderts entstand eine "Passio des hl. Märtyrers Koloman", davon befinden sich noch heute zwei Handschriften aus dem 12. Jahrhundert im Kloster Admont. Diese Leidensgeschichte wurde wahrscheinlich vom Melker Abt Erchanfried (1121-1163) verfasst, sie erwähnt auch, dass Melk die Residenz des Markgrafen war und dass die Bestattung in der dem hl. Petrus geweihten Kirche vorgenommen wurde.  Wie rasch diese Schrift verbreitet wurde, können wir erahnen, da sie bereits in einem Bücherverzeichnis des Stiftes Klosterneuburg aus dem Jahr 1330 erwähnt wird.

Koloman wird zum Volksheiligen und Landespatron

Angesichts der spärlichen Daten aus dem Leben des hl. Koloman ist es tatsächlich beachtlich, wie rasch sich sein Kult ausbreitete. Ausgangspunkt der Koloman-Verehrung waren Eichstätt und Melk. Schon früh fanden Wallfahrten zu seinem Grab in Melk statt, an dem sich immer wieder Wunder ereigneten, die uns in den alten Handschriften überliefert sind. In der Vita des hl. Abtes Berthold von Garsten (1060-1142) lesen wir, dass er sich auf einer seiner Reisen nach Melk begab, um dort den hl. Koloman zu verehren und ihn um seine Fürbitte anzurufen. In den Annalen des Stiftes Melk finden wir auch, dass die Wallfahrten durch viele Jahrhunderte fortdauerten. In alten Kalendarien und Martyrologien findet sich sein Festtag bzw. die Translation (Übertragung der Reliquien) bereits mit 13. Oktober angegeben, und das an verschiedenen Orten in Bayern, manche davon stammen aus dem 11. Jahrhundert. Es gibt auch Anzeichen, dass sich die Verehrung des hl. Koloman bereits im 11. Jahrhundert nach Ungarn verbreitet hatte.

Im Jahr 1245 bestätigte Papst Innozenz IV. die Koloman-Verehrung und der Babenbergerherzog Friedrich II. erhob Koloman zum Landespatron von Österreich. Das blieb er bis zum Jahr 1663, dann trat angesichts der Bedrohung durch die Türken der Namenspatron des Kaisers, der hl. Leopold an seine Stelle, was aber seiner Verehrung auch in der Barockzeit keinen Abbruch tat, er ist noch heute zweiter Landespatron von Niederösterreich, weiters Schutzpatron von Melk und Stockerau. Fünfzehn Kultstätten des Heiligen gibt es in Österreich. Auch in Bayern existieren zahlreiche Stätten der Verehrung, v.a. in den Diözesen Eichstätt und Regensburg.

Herzog Rudolf der Stifter ließ dem hl. Koloman im Jahr 1362 ein Prunkgrab in Melk errichten, das 1735 durch den Koloman-Altar in der neuen barocken Stiftskirche ersetzt wurde, in dem sich die Reliquien des Heiligen auch heute noch befinden. Rudolf der Stifter war es auch, der im Jahr 1360 im Bischofstor des neuerbauten Stephansdomes den sog. Kolomanstein einfügen ließ, über den das Blut des Heiligen geflossen sein soll. Auch ihn können wir noch heute sehen, er ist geglättet durch die vielen Berührungen von Menschen, die den hl. Koloman um Hilfe anriefen.

In Stockerau wurde 1643 von Franziskanern am Ort der Hinrichtung das Kloster Sankt Koloman gegründet. Seit 1912 ist es Sitz der Provinzleitung der Congregatio Servarum Spiritus Sancti, besser bekannt als die Steyler Missionsschwestern.

Der – fast – vergessene Heilige

Der hl. Koloman wurde als Vieh- und Wetterpatron verehrt, er wurde bei Gefahren auf Reisen, bei Kopf- und Fußleiden, Pest und anderen Krankheiten angerufen. Unsere glaubenslose Zeit aber hat den hl. Koloman weitgehend vergessen, beim Reisen vertrauen wir auf die Technik, bei Kopf- und Fußleiden nehmen wir Tabletten und die Pest gilt als weitgehend ausgerottet. Da hat ein Fürsprecher und Schutzpatron im Himmel auf Erden keinen Platz mehr. Liest man in neueren Büchern über den hl. Koloman, so werden Leben und Tod des fremden Pilgers oft in den Bereich der Legende verwiesen, weil für die Menschen unserer Zeit ein Wunder aufgrund ihres fehlenden Glaubens einfach nicht mehr vorstellbar ist. Die historischen Quellen, über die wir verfügen, bleiben unbeachtet. Doch zeugt das nicht von einer unfassbaren Hybris? Ist es angesichts des so weit verbreiteten Kolomankultes auch nur denkbar, dass all diese Menschen, ganz besonders die hochgebildeten unter ihnen, Kaiser, Könige, Fürsten, Herzöge und Bischöfe zehn Jahrhunderte hindurch, so naiv und unwissend gewesen oder aber einer Täuschung zum Opfer gefallen wären? Den vormaligen enormen Einfluss des Heiligen auf das religiöse und geistige Leben in unseren Gegenden zeigt die Tatsache, dass der Festtag des Heiligen, der 13. Oktober, den Beginn des Wintersemesters an der Wiener Universität im 15. Jahrhundert festlegte, auch die Rektorswahl fand an diesem Tag statt. All das beweist uns, dass am Beginn, aber auch später an seinem Grab großartige und übernatürliche Dinge geschehen sein müssen, ohne die sich die Verehrung dieses einfachen Pilgers, den man ermordet hatte, niemals so rasch, so lange und in dieser Intensität verbreitet hätte. Wenn in unserer Zeit keine Wunder geschehen, so dürfen wir nicht den falschen Schluss ziehen, dass es keine Wunder gibt. Vielleicht fehlen einfach nur die Voraussetzungen in unserer Zeit dafür, dass Gott Wunder wirkt?

 

 

 

Quellen:

Georg Schwaiger: Bavaria Sancta, Band 1

Dietmar Assman: Hl. Florian, bitt‘ für uns!

Erna und Hans Melchers: Das große Buch der Heiligen