Der hl. Klemens Maria Hofbauer als Seelsorger - Teil 2

Quelle: Distrikt Österreich

Über das Wirken des hl. Klemens Maria Hofbauer als Seelsorger während der Jahre, die er in Wien verbrachte - Fortsetzung

 

 

Neben großen Sündern waren es dann wieder ähnliche Seelen, die den erfahrenen Seelenkenner aufsuchten. Der schlimmste dieser armen Quälgeister, die dem vielbeschäftigten Mann so manche Stunde raubten, war ein Wiener Bürger namens Kraus. Wenn die Zweifel und Ängste des guten Kraus gar kein Ende mehr nehmen wollten, dann sagte der Heilige scherzend: „Ein Kraus geht noch; zwei brächten mich um.“

Auch unter seinen eigenen Mitbrüdern hatte er einen solchen Skrupulanten, den jungen P. Forthuber. Als derselbe beim heiligen Messopfer mit dem Purifizieren der Patene gar nicht mehr fertig werden wollte, näherte sich Hofbauer dem Altar und flüsterte ihm zu: „Joseph, lass doch den Engeln auch etwas!“ – Schwer wurde es ihm, die Geduld zu bewahren bei jenen, jedem Beichtvater bekannten Pönitenten, die sehr selten zur Beichte kommen und dann nichts, gar nichts zu beichten haben. In solchen Fällen konnte er sehr sarkastisch werden: „Ei, Sie sind ja schon heilig; da muss man gleich ein paar Lichter anzünden.“ Noch drastischer soll er – nach einer Anekdote – ein anderes Mal ein solches Beichtkind zur Erkenntnis seines verwilderten Gewissens gebracht haben. Es war in der Sakristei der Ursulinenkirche; Hofbauer, der eben im Beichtstuhl mit einer Frau beschäftigt war, rief plötzlich dem Mesner zu: „Andreas, komm her und stell diese Frau auf den Altar hinauf; sie ist schon heilig!“

Bei der großen Zahl seiner Beichtkinder ist es begreiflich, dass er oft ans Kranken- oder Sterbebett gerufen wurde. Mehr als sonst entfaltete er hier seine herrlichen Gaben als Seelenarzt. Nie scheute er davor zurück, seine Patienten über ihren Zustand aufzuklären. Einmal wurde er zu einem schwerkranken Herrn vornehmen Standes gebeten. Niemand in der Familie wagte es, den Kranken über sein nahe bevorstehendes Ende aufzuklären, und der Sterbende, über seinen Zustand vollkommen in Unwissenheit, wollte von einem Geistlichen noch nichts wissen. Im Vorzimmer wurde es Hofbauer von den ängstlichen Damen eingeschärft, den Kranken nicht zu erschrecken. Hofbauer ließ sie ruhig reden und öffnete die Türe des Krankenzimmers. Da der Kranke hinter der Türe lag und nicht gleich sichtbar wurde, rief Hofbauer zum Entsetzen der Angehörigen mit lauter Stimme in das Zimmer hinein: „Wo ist der Schwerkranke, der nicht beichten will?“ Die Angst erwies sich als gänzlich unbegründet. Der überrumpelte Patient überließ sich willfährig dem heiligen Seelenarzt. Er wusste aber dann seinem Kranken eine fast unbedingte Heilsgewissheit, ja eine wahre Himmelsfreude einzuflößen. Wenn dieser ganz in Gott lebende Mann mit seinem tiefen Blick in die göttlichen Geheimnisse einem den Himmel verhieß, dann war dies weit mehr als ein frommer, beruhigender Zuspruch, wie ihn am Sterbebett wohl jeder Priester zu gebrauchen pflegt; es wirkte wie eine Botschaft aus dem Himmel. Die junge Prinzessin Liechtenstein, eine Nichte Julie Zichys, wiederholte auf ihrem Krankenlager immerfort freudestrahlend, P. Hofbauer habe ihr den Himmel versprochen. Baron Moser, den ein Krebsleiden einem baldigen Tode entgegenführte, spielte täglich mit einem Freund eine Partie Karten, was seiner Gemahlin sehr unschicklich vorkam. Doch der Baron ließ sich nicht irremachen: P. Hofbauer habe es ihm nicht verboten, und damit war die Streitfrage erledigt. – In verzweifelten Fällen nahm man gern zu Hofbauer die letzte Zuflucht. 

Es blieb ihm freilich auch der Schmerz nicht erspart, von einem Sterbebett unverrichteter Dinge nach Hause gehen zu müssen. Vergebens besuchte er den gefeierten Augenarzt Dr. Barth in dessen letzter Krankheit. Der ungläubige Arzt, ein in ganz Wien bekannter origineller Sonderling, nahm Hofbauer nur von der ästhetischen Seite. Dem Kunstkenner gefiel die ganze Erscheinung des Heiligen. „Ein wahrer Apostelkopf“, begrüßte er ihn beim Kommen. „Ein wahrer Sokrateskopf“, war die schlagfertige Antwort Hofbauers. Solche traurigen Fälle sind wohl Ausnahmen geblieben. Wenn das ewige Schicksal einer Menschenseele nur noch von Stunden abhing, dann kannte seine Liebe keine Grenzen mehr. Wie er dann mit Gott um die Seele rang, hat uns Schwester Thadäa enthüllt. Als Rekonvaleszentin betrat sie eines Tages um die Mittagsstunde den Chor. Die Klostergemeinde war bei Tisch, die Kirche leer, nur Hofbauer kniete an den Stufen des Altars. Das war aber kein friedliches, stilles Beten, sondern ein angstvolles Flehen und Ringen. „Herr, gib mir diese Seele, sonst gehe ich zu deiner Mutter …“; so viel verstand die heimliche Zuschauerin. Sein Antlitz war von Tränen feucht. Endlich warf er sich weinend vor dem Altar auf das Gesicht nieder. Tief ergriffen zog sich die Nonne unbemerkt zurück, um vor einem Marienbild das Flehen des Heiligen mit ihrem eigenen Gebet zu unterstützen.

Wie er am Sterbebett selbst oft um eine Seele gekämpft hat, zeigt folgender Fall, den er einst den Ursulinen erzählte. Zu einem unbußfertigen Schwerkranken gerufen, wurde er schon beim Betreten des Zimmers vom Kranken mit Schmähungen begrüßt. Da alles Beschwichtigen und freundliches Zureden nichts half, ging Hofbauer zur Tür, blieb aber hier stehen, die Augen fest auf den Kranken gerichtet. Wütend fragte dieser, was er noch zu suchen habe. Mit eisiger Kälte erwiderte der Heilige: er habe nun schon so viele Fromme sterben gesehen; jetzt wolle er auch einmal zuschauen, wie ein Verdammter aus dem Leben scheide. Eine solche Antwort hatte der kranke Lästerer nicht erwartet. Er wurde auf einmal still und nachdenklich und dann rief er Hofbauer ans Bett zurück. „Hochwürden, können Sie mir verzeihen?“ bat er mit tränenerstickter Stimme. Der Heilige blieb an seinem Bett, bis er ausgelitten hatte. Noch im Todeskampf umklammerte der Sterbende fest und innig die Hand seines Retters.

Quelle: Der heilige Klemens Maria Hofbauer - Ein Lebensbild von Johannes Hofer